POLITISCHER ASCHERMITTWOCH
Vom Viehmarkt zum größten Polit-Festival
Der politische Aschermittwoch in Vilshofen an der Donau ist eine in ganz Deutschland einmalige Tradition und ein alle Jahre wiederkehrender Höhepunkt des politischen Geschehens in Bayern. In Vilshofen an der Donau, und seit 1975 in Passau, wird nichts entschieden, außer, wer den zugkräftigsten Redner aufzubieten, wer die meisten Zuhörer hat und wer in den Zeitungen, im Rundfunk und im Fernsehen am besten weggekommen ist. Es geht um eine Show, um ein Muskel-Spielen-Lassen mit nicht geringer Bedeutung für die einzelne Partei. (Quelle: Festschrift der Bayernpartei aus dem Jahr 1996)
Die Anfänge
Die Wurzeln des politischen Aschermittwochs liegen im 16. Jahrhundert: 1580 trafen sich bayerische Bauern erstmals in Vilshofen an der Donau zum Vieh- und Rossmarkt und feilschten dabei nicht nur über die Preise, sondern diskutierten auch heftig die Themen des Tages, darunter seit dem 19. Jahrhundert auch die königlich-bayerische Politik. Das Jahr 1919, als der Bayerische Bauernbund erstmals zu einer Kundgebung aufrief, gilt aber als eigentliches Geburtsjahr.
Weimarer Republik und "Drittes Reich"
Von 1920 bis 1926 war in Vilshofen an der Donau am Aschermittwoch zunächst einmal politische Pause. Ab 1927 bis 1933 gab es jährlich wieder Aschermittwochskundgebungen, bestritten vom Bayerischen Bauern- und Mittelstandsbund oder vom Christlichen Bauernverein, der der Bayerischen Volkspartei (BVP) nahestand. Am 14. Februar 1933, vierzehn Tage nach der "Machtergreifung" Hitlers und kurz vor der Reichtagswahl am 05. März 1933, waren es die NSDAP (zwei Veranstaltungen, nämlich vormittags und abends), der Bayerische Bauernbund und die KPD. Diese erkor als erste Partei den Wolferstetter Keller zum Schauplatz ihrer Versammlung. Wenige Monate danach waren die Parteien verboten und damit war es auch mit dem Politischen Aschermittwoch bis 1946 vorbei. Lediglich 1937 führte die NSDAP nochmal eine "Schau- und Massenversammlung" auf.
Wiederbelebung
Als Tag des Widerauferstehens des Politischen Aschermittwochs gilt bei allen Historikern der 11. Februar 1948, als Dr. Josef Baumgartner von der Bayernpartei (BP) 4.000 Menschen auf die Beine brachte. Seit 1948 hält die BP ihre jährlichen Aschermittwochskundgebungen an verschiedenen Schauplätzen in Vilshofen an der Donau ab. Der erste politische Aschermittwoch im Wolferstetter Keller nach dem 2. Weltkrieg (zuvor waren diese Veranstaltungen im sogenannten Konzertsaal in der Kapuzinerstraße) wurde 1952 von der SPD abgehalten. Am 18. Februar 1953 war dann die CSU mit ihrem "Bauerntag" und dem Redner Franz Strauß (noch ohne den Zusatz Josef) erstmals am Aschermittwoch im Wolferstetter Keller.
CSU geht nach Passau - SPD wechselt auf Rennbahn - BP im Wolferstetter Bräu
Abgesehen von den Jahren 1957 und 1958, wo man im Konzertsaal die Politikveranstaltungen ("Weißblauer Aschermittwoch") abhielt, war man dann immer bis 1974 durchgehend im Wolferstetter Kellersaal. Strauß war stets von der Partie mit Ausnahme im Jahr 1963, als er angeblich auf "Kur" (Spiegel-Affäre) war und von den Hauptrednern MdB Hermann Höcherl und Franz-Xaver Unertl vertreten wurde. Ab 1975 gastiert nun die CSU in Passau anfangs in der Nibelungenhalle und nun in der Dreiländerhalle. Die SPD hielt ab 1975 bis 2011 ihre Aschermittwoch-Events im Wolferstetter Keller ab, um dann in das Zelt auf dem Rennbahngelände zu gehen. Seit 1995 hält die BP ihre Aschermittwochskundgebung im Saal des Gasthauses "Wolferstetter Bräu" ab.
Wer im Wolferstetter Keller wann da war:
1952 | SPD: Johann Maag |
1953 | CSU: Franz Strauß |
1954 | CSU: Franz Josef Strauß / Hans-August Lücker |
1955 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1956 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1958 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1959 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1960 | CSU: Franz Josef Strauß |
1961 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1962 | CSU: Franz Josef Strauß |
1963 | CSU: Hermann Höcherl / Franz Xaver Unertl |
1964 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1965 | CSU: Franz Josef Strauß |
1966 | CSU: Franz Josef Strauß |
1967 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1968 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1969 | CSU: Franz Josef Strauß / Franz Xaver Unertl |
1970 | CSU: Franz Josef Strauß |
1971 | CSU: Franz Josef Strauß |
1972 | CSU: Franz Josef Strauß |
1973 | CSU: Franz Josef Strauß |
1974 | CSU: Franz Josef Strauß |
1975 | SPD: Conrad Ahlers |
1976 | SPD: Hans-Jochen Vogel |
1978 | SPD: Helmut Rothemund / Alfons Gerstl |
1979 | SPD: Helmut Rothemund GRÜNE: Carl Amery / Max Winkler |
1980 | SPD: Helmut Rothemund |
1981 | SPD: Helmut Rothemund GRÜNE: Felmming / Rudolf Bahro |
1982 | SPD: Helmut Rothemund GRÜNE: Gert Bastian |
1983 | SPD: Hans-Jochen Vogel GRÜNE: Petra Kelly / Alfred Mechtersheimer |
1984 | SPD: Helmut Rothemund |
1985 | SPD: Helmut Rothemund GRÜNE: Otto Schily |
1986 | SPD: Karl-Heinz Hiersemann |
1987 | SPD: Rudolf Schöfberger |
1988 | SPD: Rudolf Schöfberger GRÜNE: Armin Weiß |
1989 | SPD: Rudolf Schöfberger |
1990 | SPD: Karl-Heinz Hiersemann / Renate Schmidt GRÜNE: Bernd Köppl |
1991 | SPD: Renate Schmidt GRÜNE: Petra Kelly / Gert Bastian |
1992 | SPD: Renate Schmidt |
1993 | SPD: Renate Schmidt |
1994 | SPD: Rudolf Scharping / Renate Schmidt GRÜNE: Werner Schulz |
1995 | SPD: Rudolf Scharping / Renate Schmidt |
1996 | SPD: Oskar Lafontaine / Renate Schmidt |
1997 | SPD: Oskar Lafontaine / Renate Schmidt |
1998 | SPD: Oskar Lafontaine / Renate Schmidt |
1999 | SPD: Gerhard Schröder |
2000 | SPD: Wolfgang Clement |
2001 | SPD: Wolfgang Hoderlein |
2002 | SPD: Otto Schily |
2003 | SPD: Wolfgang Celement |
2004 | SPD: Martin Schulz |
2005 | SPD: Kurt Beck |
2006 | SPD: Matthias Platzeck |
2007 | SPD: Kurt Beck |
2008 | SPD: Kurt Beck |
2009 | SPD: Martin Schulz |
2010 | SPD: Sigmar Gabriel |
2011 | SPD: Frank-Walter Steinmeier |
(Quelle: Barbara Wasner "Der Politische Aschermittwoch seit 1919")
ab 2012 (SPD bis 2018 auf dem Rennbahngelände - BP im Wolferstetter Bräu):
2012 | SPD: Christian Ude / Sigmar Gabriel BP: Florian Weber / Hubert Dorn |
2013 | SPD: Christian Ude / Peer Steinbrück BP: Florian Weber / Hubert Dorn |
2014 | SPD: Martin Schulz BP: Florian Weber / Hubert Dorn |
2015 | SPD: Sigmar Gabriel BP: Florian Weber / Hubert Dorn |
2016 | SPD: abgesagt BP: Florian Weber / Hubert Dorn |
2017 | SPD: Martin Schulz / Christian Kern BP: Florian Weber / Hubert Dorn |
2018 | SPD: Olaf Scholz / Natascha Kohnen |
2019 | SPD: Katarina Barley / Natascha Kohnen (im Wolferstetter Keller) |
2020 | SPD: Saskia Esken / Natascha Kohnen (im Wolferstetter Keller) |
2021 | SPD: Olaf Scholz und Natascha Kohnen (digitale Veranstaltung wegen der Pandemie) |
2022 | SPD: Lars Klingbeil, Florian von Brunn (abgesagt wegen des Ukraine-Krieges) |
2023 | SPD: Florian von Brunn, Ronja Endres, Ruth Müller, Dr. Nasser Ahmed |
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